Freitag, 18. Februar 2011

Fix You

Einmal, in ferner Zukunft, wird es sein, das es zuviele Menschen auf dieser Welt gibt. Und ist dieser Moment gekommen, so wird eine Frau die Macht haben. Eine Frau, die keine Kinder haben kann. Eine Frau, die Kinder hasst. Und nicht zuletzt eine Frau, die anderen wahllos ihre Kinder wegnimmt.
Sie wird die Kinder in Erziehungslager stecken, die keine Zäune hatten, ihnen ihre Namen wegnehmen, ihnen Nummern geben und die Kinder werden zum Vergnügen der Machthabenden da sein. Streng bewacht von Männern in dunklen Anzügen und Masken über den Gesichtern. Doch dann kam ein junges Mädchen, sie wurde gekleidet und geschminkt, sie wurde gewaschen und die Haare wurden ihr geflochten und sie ließ es zu. Doch nicht, was danach kommen sollte. Wieder und wieder bestrafte man sie, doch ihr Geist blieb störrisch. Die werten Herren und Damen nannten sie Rascal und sie nahm diesen Namen begierig an. Sie hatte eine Identität, sie fand ihr Selbstbewusstsein und tat das, was undenkbar war: sie spazierte einfach davon.
Undenkbar, denn Nummern laufen nicht weg.
Denkbar, denn sie hatte ihren Namen gehört.
Sie schlug sich durch den Ort, wurde ein Geschöpf der Nacht, ein Geschöpf der Flucht.
Sie waren ihr stets auf den Fersen.
Sie lief in eine Bar, hatte genug Geld geklaut. Wollte nur noch ins Warme.
Glückliche Pärchen überall, so kinderlos und doch so glücklich.
So verdammt zum Untergang und doch so heiter.
Ein Mann setzte sich zu ihr, mitten rein in die dunkle Nische.
„So jung und so frei? Du Glückliche...“, suchte er das Gespräch mit ihr.
„So fremd und so forsch? Wie sinnlos...“, entgegnete sie, was ihrem Gegenüber ein heiseres Lachen entlockte.
„Wie darf man dich nennen, meine Kleine?“
„Eine Namenlose in einer namenlosen Nacht.“
„Na dann. Gut, so wollen wir beide namenlos sein. Nicht wahr?“ Er langte nach ihrem Nacken, doch Rascal sprang geistesgegenwärtig von ihrem Stuhle auf und entschwand. Ihr Nacken, ihre Nummer, ihr Verschwinden, ihre Flucht.
Doch zu nah war ihr Verfolger, zu gering ihre Kräfte in dieser kalten Novembernacht.
Er packte sie, riss sie in die dunkelste Ecke, schleifte sie mit sich bis in den tiefen, tiefen Wald hinein.
Sie starrten einander an, stundenlang vielleicht. Vielleicht auch nur ein paar Sekunden oder Minuten.
Die Morgendämmerung brach an und noch immer konnte keiner den Blick vom anderen lösen. Ein Augenblick kann ewig dauern und doch zu kurz sein für all seine Magie.
Ein Rascheln im Gebüsch.
Sie. Die einzige Königin, die diese Welt noch hatte. So dunkel und doch so schön, das alle ihr verfallen waren.
Die Gefallene und ihr Retter soll dieses Schauspiel wohl darstellen?“, fragte sie belustigt in ihrer tiefen, melodischen Stimme. „Nun, verzeiht, doch ich muss euch enttäuschen. Ich kenne die dunkle Seite in jedem von euch. Besonders in deinem Gegenüber Nummer 9566356-B2. Oder hast du es ihr schon erzählt?“
Rascal blickte zu dem jungen Mann, der zögerte und dann den Kopf schüttelte.
Die Königin lachte. So herzlich, so grausam. „Na, muss ich den alles tun? Obliegt es mir ihr zu sagen, wer ihre Eltern tötete als sich diese weigerten sie zu übergeben? Sie mitnahm zu mir. Ihr ihren Namen nahm nur um einige Jahre später zu gehen. Zu gehen, wie auch du gegangen bist Nummer 9566356-B2.“
Rascal starrte ihn an. „Deswegen wolltest du meine Nummer wissen...ob ich eine habe.“, flüsterte sie.
Verzeih mir. Ich wollte dich nur wieder ins Licht bringen. In der Dunkelheit bist du für sie zu leicht zu finden, dachte ich.“
Das junge Mädchen sah gen Osten, wo die Sonne sich anschickte ihre ersten Strahlen über das weite Land zu senden.
Dachtest du das, Mörder.“, lächelte sie unter Tränen.

Ein Schuss und noch einer zerriss die Luft. Die Folge des Weglaufens.

Nichts währt unendlich, nur die Liebe sagt man.
Nicht die Liebe ist es, nur der Tod.

© Kimira

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