Donnerstag, 15. März 2012

Staubmäuse fixiert von der Staubkatze

Lange genug hatte sie gewartet ohne einen Mucks von sich zu geben. Eingesperrt im dunklen Verließ, sich selbst überlassen, zuschauend wie Dampfmacher und Heißbrett bisweilen auszogen um Schlachten zu führen gegen baumwollenes und seidenes Gewäsch. Und wenn sie wieder da waren erzählten sie von großartigen Heldentaten, die sie begangen hatten draußen in der unwirklichen Welt. Wie seltsame zweibeinige Wesen sie geführt hätten, sie hätten zermalmen lassen das Ungetier. 
Doch heute, endlich, sollte die Staubkatze wieder ihre Krallen ausfahren können als ebenjener bereits angesprochener Zweibeiner sie aus der eintönigen Landschaft entriss. Als er sie wieder abstellte blickte sie verstohlen nach links und rechts und grinste leicht, hatte sie sie doch bereits erblickt, die garstigen Staubmäuse, deren erbitterster Erzfeind sie war. Und, welch ein Wonne, dies war genug um sich für mehrere Tage wieder den Magen vollzuschlagen. Lauernd wartete sie ab, noch ein Moment, vielleicht zwei, den Gegner in Sicherheit wiegen, ihn jedoch nicht aus den Augen lassend. Ha, noch sollten sie nichts von ihrem Schicksal wissen, die elendigen Mäuseriche, denen der Staub schon aus den Ohren quoll, wie sie dalagen und sich rund und satt fraßen an Teppich und vergessenen Büchern in der hintersten Ecke. Wie sie gemählich rollten in jede Fuge, jede Kerbe, jede undichte Stelle und sich weigerten auch nur einen Millimeter zu weichen. Trollen sollten sie sich, allemal. Erwartungsvoll schlug die Staubkatze mit dem Schwanz, vorsichtig genug jedoch, um die Drohung unausgesprochen im Raum verbleibend zu lassen. Noch ein letztes Zucken mit ihrem langen Schwanz, den Antrieb findend, die Balance für den mörderischen Akt. Da war er endlich und die Staubkatze fuhr ihre Krallen aus, setzte sich in Bewegung, öffnete ihren Mund und ohne sich groß mit dem Kauen aufzuhalten oder Mitleid für das raschelnde Quieken der Staubmäuse zu empfinden saugte sie eine nach der anderen in ihren riesigen Magen. Keine sollte unentdeckt bleiben, der Teppich erstrahlte in neuem Glanz, die Bücher wurden nur kurz touchiert, als das sie keinen Schaden nehmen würden, doch frei wären vom immer wiederkehrenden Keim des Bösen, die hinterste Ecke, ein sicheres Versteck? Aber doch nicht gegen die Staubkatze, nein, vor ihr sollte nichts sicher sein, nichts unentdeckt bleiben. 
Kurz währte die Jagd, das Rascheln erstarb und die Staubkatze ruhte wieder in ihrem vermeintlichen Schlummer. Aus den Augenwinkeln erspähte sie bereits kleine Staubmäuse, neugeboren erst und noch zu zart und klein als das sie eine schmackhafte Beute währen. "Aber was nicht ist kann ja noch werden", dachte die Staubkatze bei sich und leckte bereits genussvoll ihre Lippen. Ein wenig überfressen hatte sie sich ja schon, was ihr ein leichtes Unwohlsein im Magen verriet, aber zum Glück hatte sie einen Zweibeiner, der willens war sich auch um solche Unpässlichkeiten zu kümmern. Kurzerhand entfernte er ihren Magen, kippte einen bereits verdauten Teil der Beute weg und legte ihn dann, mit ein paar nahrhaften Resten natürlich wieder in sie hinein. Der Eingriff war kurz und relativ schmerzlos verlaufen, zudem ohnehin bereits eine Routine für die alte Dame. Man brachte sie wieder zurück zu ihren Freunden, dem Gewäschshänger, dem Dampfmacher und dem Heißbrett und nun war sie an der Reihe von ihren heldenhaften Taten zu berichten.
© Kimira

Sonntag, 4. März 2012

Gedankenreise im Herbst

Es begab sich dereinst im letzten Herbst, die Blätter färbten sich gerade golden, das Ruth die rote Plastikrose in ihrem Zimmer fand, die ihr Stephen ihr geschenkt hatte. Lange saß sie auf ihrem Bett und ging in Gedanken auf eine Reise in die Vergangenheit. Wie lange war es her? Wohl ein Jahr, damals war es auch Herbst gewesen, das sie ihn zuletzt gesehen hat. Sie hatten sich im Riesenrad auf dem Jahrmarkt kennengelernt und sind danach oft miteinander ausgegangen. Wie lange waren sie zusammen gewesen, wie lange hatte es gedauert bis zu jenem schicksalhaften Tag? Wohl nur ein halbes Jahr, eine kurze Zeitspanne vielleicht, aber es waren Momente des Glücks gewesen. Aber ach, was musste geschehen um sie daran zu erinnern, das nicht jedes Glück ewig währt? Ruth hatte ihren Geldbeutel an der S-Bahn-Haltestelle verloren und Stephen bot sich an ihn für sie zu holen. "Ich laufe doch eh viel schneller als du", hatte er mit einem Zwinkern gemeint und war losgelaufen. Es war noch kalt gewesen, Winter, es lag Schnee und war glatt. Der Fahrer des Autos an der Kreuzung hatte doch noch versucht auszuweichen, doch keine Chance. Stephen verstarb noch am Unfallort in Ruths Armen. Sie war unfähig gewesen über ihr Handy den Notarzt zu rufen.

In diesem Fall hatte ich nur einige Wörter vorgegeben und die Geschichte musste sich um ebendiese Wörter herum entwickeln. Ich würde auch echte Rosen vorziehen. ;)

© Kimira 
 

Die Maske vor der Schwester

Das knarzende Geräusch der Rolltreppe war kaum noch zu ertragen. Es war eine Frage der Zeit, wann sie ihren Geist aufgeben würde. Es waren noch fünf Stunden bis Feuerabend. Sie freute sich auf das Essen mit ihm. `Platsch´ machte es. Vor ihren Füßen lag eine aufgeplatzte Tasche. Mitten in diesem kleinen Chaos lag ein Foto, teilweise bedeckt von Münzen. Sie traute ihren Augen nicht.

War das denn nicht Jonas? Ein Passbild, klein und biometrisch gemacht, wie es den gesetzlichen Anforderungen entsprach, aber es ging Lizbeth nicht um die Machart des Fotos, sonder darum, was es in einer fremden Damenhandtasche zu suchen hatte. Mit großen Augen schaute sie zu der fremden Frau hinab, die eiligst den Inhalt wieder einräumte und von ihrer Fassungslosigkeit gar keine Notiz nahm. Normalerweise hätte Lizbeth ihr geholfen, das war geradezu eine Selbstverständlichkeit für sie. Jetzt konnte sie nur dastehen, das Knarzen der Rolltreppe war zu einem Dröhnen in ihren Ohren geworden, vibrierte hart in ihrem Trommelfell, schlich sich ein in ihren Kopf, brachte die Synapsen in ihren Gedanken ganz und gar durcheinander. Wurde sie denn bereits betrogen? Die junge Frau schaute der Anderen hinterher, die ohne ein Wort zu sagen oder sie überhaupt eines Blickes zu würdigen von dannen geschritten war. Gut sah sie ja aus, mit ihrem langen schwarzen Haar, dem Wollkleid, das bis an die Knie reichte, der blickdichten Strumpfhose und den Pömps. Ach, das Haar war doch bestimmt gefärbt, das Kleid ganz fusselig, die ersten Laufmaschen würden sich bald ergeben oder der Absatz würde brechen, wer weiß? Und wen kümmerte es? Tatsache war doch, sie hatte ein Foto von ihrem Freund gehabt und Lizbeth wollte heute Abend mit Jonas aus essen gehen. Wollte er sie so etwa abspeisen, im wahrsten Sinne des Wortes? Meinte er ein wenig Kerzenschein hier, ein wenig Spaghetti da und dort vielleicht noch ein Glas Rotwein und schon wäre sie, Lizbeth, gnädig genug gestimmt ihm zu verzeihen, das sie leider nicht mehr seine Nummer 1 wäre und im Zuge dessen doch bitte die gemeinsame Wohnung räumen dürfe. Bitter lachte Lizbeth über diesen Gedanken, nein, so würde es nicht kommen, nicht nach fünf Jahren, nicht nach all den Höhen und Tiefen erst des Schulalltags und jetzt der Ausbildung. Die Zeit verging, die angehende Kauffrau im Einzelhandel versuchte so gut es ging sich von den düsteren Gedanken abzulenken, was ihr dank ihres Berufes auch recht leicht fiel. Und endlich kam er, der für alle erlösende Schlag zum Feierabend. Lizbeth zog ihren Mantel an, überprüfte mit einem kurzen Blick in den Spiegel ihr Äußeres - unnötig sich darüber Sorgen zu machen, denn sie war eine bildhübsche Frau, wie viele fanden - und trat über den Personaleingang ins Freie. Was sie nun sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren: Jonas und die Fremde, miteinander scherzend, lehnten an der gegenüberliegenden Mauer. Hastig schluckte Lizbeth den Kloß, der ihr in der Kehle brannte hinunter und stapfte zu den beiden hinüber. War ihr Gesichtsausdruck auch nicht zu trotzig? Wen interessierte das denn noch? Jonas ging lächelnd auf sie zu, umarmte sie kurz und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. "Schatz, darf ich dir meine Schwester vorstellen? Also nicht wirklich Schwester, aber wir kennen uns von klein auf und waren stets so unzertrennlich wie eben Geschister!" Lizbeth und die `Schwester´, die Norah hieß machten sich miteinander bekannt. Doch die Tränen in den Augenwinkeln versiegten nicht, das Herz in Lizbeths Brust kannte die Antwort schon, zu bekannt das Gefühl des betrogen worden seins. Und sie setzte die Maske auf und spielte mit.

Der kursiv geschriebene Teil war vorgegeben, den Rest musste man sich dazu ausdenken. Ich denke, ich habe es gut gemacht.

© Kimira